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27.11.11

Beitrag zur Blogparade „Was heißt eigentlich Kultur?“ von Volker Lüdecke für Peter H. Kalb und Henric Witheger

Initiatoren der Blogparade sind Peter H. Kalb und Henric Witheger
Der Begriff Kultur ist schon lange Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, speziell in der Kulturwissenschaft geht man vor allem im philosophischen Fachgebiet der Ästhetik dieser Frage nach.

Die verschiedenen Theorien in einem knappen Essay vollständig darzulegen, würde den Rahmen dieses kleinen Beitrags erheblich aus den Fugen geraten lassen, daher dazu nur kurz.
Die Lehre von der Wahrnehmung des Menschen in ihren vielfältigen Theorien zeigt vor allem eines, nämlich wie die Beschaffenheit unserer Sinnesorgane darüber mitbestimmt, was wir und wie wir etwas wahrnehmen.
Der Eindruck einer Stubenfliege von unserer Welt unterscheidet sich allein organisch durch die vollkommen andere Sehqualität ihrer Augen, ganz abgesehen einmal vom Vermögen des Gehirns.
Jedoch nehmen unsere Augen, vermittelt durch die unzähligen Kameras unserer Medien, inzwischen im globalen Raum die Perspektive einer Stubenfliege ein, die vieles gleichzeitig wahrnimmt, aber weder weiß, was es ist noch wie es zusammenhängt.
Betrachten wir unsere Welt mit menschlichen Augen und nötigem Verstand, dann stellen wir relativ deutlich fest, dass sich unsere Kultur in der Krise befindet.
Denn sie basiert ausgeprägt auf Konsum und trägt deshalb dazu bei, dass wir mit daran Schuld haben, wie für zukünftige Generationen ein gesundes Leben erschwert wird. Aber das ist ja  inzwischen eine Binsenwahrheit.
Die Krisenhaftigkeit unserer Kultur zeigt sich auch an Erscheinungen von Hass und Intoleranz,  die gerade wieder sichtbar geworden sind an hinterhältigen Morden an Ausländern von geistig verwirrten Attentätern.
Beides mag sogar zusammengehören, da diese rechten Attentäter von ihrer Herkunft her ideologisch von einem politischen System geprägt wurden, das seinen Bürgern eine Sinnhaftigkeit ihres Daseins in Form eines kulturellen Fortschritts suggerierte, der dann mit dem Ende der DDR nicht mehr eintreten konnte.
Die geistige Leere unserer Konsumgesellschaft wussten diese künftigen Attentäter nur mit Hass aufzufüllen und wurden vielleicht auch daher zu Schergen einer Naziideologie, die ihre historischen Ursachen in missglückten und wirren Theorien der letzten beiden Jahrhunderte hat.
Für alle toleranten und weltoffenen Bürger liegt hier aber die Trennungslinie von Kultur, die eindeutige Grenze dessen, was sich menschliche Kultur nennen darf und einem Surrogat dafür, was man vielleicht als Barbarei, Mordlust und niedere Beweggründe bezeichnen könnte.
Auftrag einer toleranten Kultur muss es unbedingt sein, insbesondere in Zeiten der Krise, sich dagegen zu wehren. Nur wie? Das ist die nicht nur heute viel diskutierte Frage.
In diesem Kontext möchte ich über meine Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Landestheater Mecklenburg/Neustrelitz und den Aufführungen meines Stücks „Deutschland den Doofen“ über die Biografie „Ein Neonazi steigt aus“ des Ingo Hasselbach berichten.
In den Neunzigern wurden vor allem im Osten Asylbewerberunterkünfte angezündet und man fragte sich, wie kann das sein?!
Die Aufführungen von „Deutschland den Doofen“ im Landestheater Mecklenburg/Neustrelitz 1997 waren ein passende Antwort auf diese Vorkommnisse, denn über zwei Spielzeiten hinweg kamen auch viele Schulklassen in die Aufführungen, viele begleitende Diskussionen im Foyer des Theaters und im Schulunterricht fanden am komplex dargestellten Beispiel des Lebens dieses Neonazi Aussteigers statt und zeigten zahlreichen jungen Menschen, welche Irrwege auf Heranwachsende warten können und wie man sie vermeiden kann.
Ich war damals ein noch junger Autor und eher unvorbereitet mit denjenigen Kulturschaffenden konfrontiert, die beinahe fanatisch ihre Ansicht vertraten, dieses Thema gehöre nicht auf die Bühne eines Theaters. Sie verstanden Theater als eine Art von Verein, wo Menschen mit ähnlichen Meinungen gesellig zusammenkommen, um sich von der Bühne herab ihre wohlmeinenden Meinungen wohlgefällig bestätigen zu lassen.
Diese „Verteidiger eines Theaters frei von Wirklichkeit und realen Menschen“ verbündeten sich mit im Stück geschassten ehemaligen Stasimitarbeitern (Neustrelitz war Stasi Hochburg), dazu gesellten sich vermutlich noch die im Stück als lächerlich dargestellten und daher beleidigten Rechten, und diese groteske Allianz von Gleichgesinnten versuchte nun mit allen Mitteln Rache am Autor von „Deutschland den Doofen“ zu nehmen, an mir.
So hat sich der Titel „Deutschland den Doofen“ doch auch im Nachhinein als richtig gewählt herausgestellt, und einmal mehr wurde deutlich, welche Schwierigkeiten unsere Kultur damit hat, sich offensiv mit drängenden Fragen der Gegenwart auseinanderzusetzen, sich also selbst zu beschützen.
An dieser Stelle könnte ich noch viele groteske Episoden aus dem Fundus dieser eigentümlichen Aufführungserfahrung berichten. Eines habe ich jedenfalls kennengelernt: den weit verbreiteten Fanatismus in Deutschland, der vor allem da blüht, wo niemand mit ihm rechnet.
Sich dem entgegenzustellen, egal wo er vorkommt, das kostet wirklich viel Mut!
Von Neustrelitz hört man zum Glück nichts mehr über eventuelle Neonaziaktivitäten, also bin ich zufrieden, damals meine Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt zu haben. In Thüringen und Sachsen wäre eine Inszenierung von „Deutschland den Doofen“ sicherlich auch heute noch aktuell. Besonders in Gera.
Über die „Streitkultur“ einiger Kulturschaffender habe ich von damals bis heute in besonderem Maße dazugelernt, wovon ich in Zukunft noch berichten werde!
Copyright 2011, Volker Lüdecke  



  
    
Szenen der Inszenierung "Deutschalnd den Doofen", Landestheater Mecklenburg/Neustrelitz 1997 v

19.11.11

Eine europäische Filmförderung als Katalysator zur europäischen Integration

Über die Währungsunion als monetäres Vehikel zur europäischen Integration müssen nicht mehr viele Worte verloren werden, das Echo deren Missklangs schallt nahezu täglich aus den Massenmedien.
Wer einmal versucht hat, sein Filmprojekt von der europäischen Union fördern zu lassen, erkennt schon allein am Umfang des Förderantrags, mit welchen bürokratischen Problemen die europäische Integration belastet wird.
Allein der Förderantrag in mehrsprachiger Ausfertigung kann die Seitenzahlen eines ausführlichen Romans erreichen, mit dem Ergebnis, dass sich für dieses bedruckte Papier wahrscheinlich niemand ernsthaft interessiert.
Erst wenn hochrangige Fürsprecher die Bühne betreten, findet der Vorgang der Bewertung überhaupt statt, dann könnte es einem Filmteam tatsächlich gelingen, ein europäisches Filmprojekt zu realisieren.
Um dem Gedanken der europäischen Integration gerecht zu werden, sollten laut den Statuten jedoch mehrere Länder an der filmischen Realisierung und deren Wertschöpfung beteiligt werden, wodurch schon Filme gedreht wurden, deren Drehbücher mehrmals nach den Statuten der europäischen Fördergelder umgeschrieben werden mussten, damit die Handlung in verschiedenen europäischen Ländern spielt.
Aus diesem Grund sieht man auch gelegentlich deutsche Schauspieler in einem italienischen Ambiente agieren, deren Herausforderung es dann ist, sich möglichst italienisch zu geben.
Bei solchem europäischen Kulturelan sollte es nicht verwundern, dass sich Mitterand und Kohl damals nicht für die Kultur als vorderstes europäisches Integrationsinstrument entschieden, sondern für die jedem europäischen Bürger im Portemonnaie sichtbare bare Münze.
Allerdings birgt Geld in sich keine Vision, keine Idee und wie wir erkennen müssen, eventuell auch keine Zukunft.
Die französische Regierung hat die Bedeutung ihrer heimischen Filmindustrie immer geachtet, sogar 1991 die Dreharbeiten zum Film „Les Amants du Pont-Neuf“ von Leo Carax per Intervention vor dem finanziellen Scheitern bewahrt. Vergleichbares kulturpolitisches Engagement wäre in Deutschland, und vielleicht auch in anderen europäischen Ländern, undenkbar.
Eine europäische Filmindustrie, ohne ihre für viele Filmemacher unüberwindbaren bürokratischen Hürden, hätte durchaus realistische Chancen, große und integrative europäische Filme entstehen zu lassen, deren gemeinsames Kinoerlebnis in den europäischen Ländern die europäische Integration in den Köpfen der europäischen Bürger entwickeln helfen würde, anstatt sie in deren Portemonnaies scheitern zu lassen!
Copyright 2011, Volker Lüdecke