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l%C3%BCdecke-a8699a43?trk=profile-badge">Volker Lüdecke

1.12.11

Zwischen Verharmlosung und Hysterie – Reaktionen auf das Problem Neonazis

Es steht außer Frage, dass eine allein strafrechtliche Reaktion auf das Problem Neonazis nicht ausreicht, um es an seinen gesellschaftlichen Wurzeln zu bekämpfen.
Das Verschweigen von Vorkommnissen, also die Verharmlosung des Problems von Seiten der Behörden wie von Medienmachern und Kulturschaffenden in der Vergangenheit, hat offensichtlich nicht dazu geführt, dass sich der gesellschaftlich rechte Rand quasi von selbst auflöst und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.
Darüber zu veröffentlichen heißt eben nicht, diesen Personen eine Bühne zu verschaffen, sondern dient in erster Linie dazu, die Aufmerksamkeit der gesellschaftlichen Mitte auf eine Problematik zu lenken, die ansonsten hauptsächlich vom linken Rand der Gesellschaft aus bekämpft wird, von dort aus allerdings oftmals eher hysterisch als kompetent.
So konnten unbemerkt vom Bürger der gesellschaftlichen Mitte militante Strukturen einer politischen Rechten aufgebaut werden, deren kulturelles Erscheinungsbild wohl eher dem normaldumpfen Vereinsgehabe des Normalbürgers angepasst erscheint als dem schrillen Outfit der extremen Linken zu gleichen.
So blieb die Gefahr durch die „Glatzen“ für die breite Masse unsichtbar und die NPD konnte bei Wahlkämpfen flächendeckend ihre dumpfen Hetzplakate ausstellen, ohne dass sich ein nennenswerter Bürgerprotest dagegen wehrte.
Lichterketten und Massendemonstrationen gegen diese Affronts wären Ausdruck einer breiten Massenbewegung gegen die dumpfen Mordbrenner der politisch ewig Gestrigen, aber bis der Bürger reagiert, muss er sich schon fast persönlich betroffen fühlen. Kulturoffensiven gegen Rechts grenzen sich jedoch auch oft gegen denjenigen Bürger ab, der neben den Rechten auch die Ideologie der Linken für politisch gestrig hält.
Sich investigativ gebender Journalismus, der tatsächlich nur inkompetent nachplappert was im Internet verbreitet wird, ist natürlich auch nicht gerade hilfreich für die allgemeine Meinungsbildung, sondern beweist eben die Verpenntheit von Fernsehredaktionen wie „Die Tagesthemen“, die vorgestern die Stadt Nürnberg als Zentrale der Neonazis ausmachten, um einen Tag später einigen rechten Kleinstadtdeppen in Gera diese Ehre einer „Beförderung“ zu erweisen.
Folgt man der Spur des Geldes, sollte doch eher Hamburg als Stadt mit den meisten Millionären in Deutschland die wahre Zentrale sein?
Es fällt schwer sich bei solchen hysterischen Reaktionen das Lachen zu verkneifen, was aber bei der Schwere der Problematik allemal angebracht ist.
Es erinnert mich persönlich jedoch an die Probenzeit zur Uraufführung von „Deutschland den Doofen“, als das Landestheater Mecklenburg/Neustrelitz mich als Autor des Stücks hysterisch in Berlin anrief, ob ich nicht den Titel des Stücks ändern könnte, er würde die Faschos zu sehr provozieren und man fürchte deswegen um die Unversehrtheit der Angestellten des Theaters.
Grund dafür war eine Besprechung von Dramaturgin Schulz mit Regisseur Staatsmann in einem Gartenlokal in Neustrelitz, wo am Nachbartisch plötzlich ein Neonazi in eindeutiger Kluft Platz nahm und so die Theaterleute mit der Wirklichkeit konfrontiert hatte.
Bei aller berechtigten Sorge um die Gewaltbereitschaft von Neonazis wollte ich aber den Titel meines Stücks nicht ändern, aus dem Grund heraus, dass Theater dann tatsächlich nicht mehr möglich ist, wenn man zuließe, dass der Titel eines Stücks von den Rechten manipuliert werden könnte.
Es kann ja nicht sein, dass die eine Zensur ausüben dürfen, um deren geistigen Garaus es dabei geht!
Für die Uraufführung wurde dann Polizeischutz angefordert. Und vom Sportverein eines Theaterangestellten, ich glaube es war Eishockey, wurden als Bodyguards die kräftigen Jungs zur Uraufführung eingeladen, um im Falle eines Angriffs der Rechten das Theater zu verteidigen.
So kann man sich eben auch die eigene Freiheit zurückgewinnen, wenn man mit allen gesellschaftlichen Mitteln vereint gegen diese Erscheinungen vorgeht.
Es darf wirklich nicht sein, dass die Gewaltbereitschaft von Neonazis ganze Städte oder Landstriche so dermaßen in Angst und auch Hysterie versetzt, dass die Bürger sich vorschreiben ließen, was sie äußern dürften!
Da wartet noch viel kulturelle Arbeit auf die Theaterbühnen in diesem Land.
Copyright 2011, Volker Lüdecke