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l%C3%BCdecke-a8699a43?trk=profile-badge">Volker Lüdecke

16.11.18

Zehn Jahre Oliver Reese am Berliner Ensemble

Zu Beginn seiner Epoche am Berliner Ensemble proklamierte der Jubilar, das altehrwürdige Theater am Schiffbauerdamm in eine Bühne für zeitgenössische Dramatik zu verwandeln.
Zehn Jahre später antwortet der Maestro eher dünnhäutig auf Fragen zu seinem aktuellen Spielplan mit dem Hinweis auf die kleine Bühne des BE, auf der ausschließlich zeitgenössische Stücke von lebenden Autoren aufgeführt würden.
In Manier eines gealterten Lausbuben, der sich beim Tricksen ertappt sieht, erklärt er im Interview von Deutschlandradiokultur, dass die Proklamation eines Autorentheaters am Anfang seiner Amtszeit ein „Unsinn“ gewesen sei.
Gute Stücke für die große Bühne bräuchten Jahre, um sie zu entwickeln. Zehn Jahre reichten dafür seiner Erfahrung nach nicht aus.
Ob er sich noch an den Wortlaut seiner Antrittsrede erinnere, fragt ihn die Moderatorin frei heraus.
Es verteilt sich, antwortet der Theaterchef, alle Berliner Theater müssten die Last unspielbarer, missratener Stücke gemeinsam tragen, die zeitgenössische Dramatik sei eben flau.
Die Schaubühne habe ihren Marius von Mayenburg zu schultern, das Deutsche Theater lade sich Dea Loher und Roland Schimmelpfennig auf, und Pendler Moritz Rinke tauche unangemeldet an verschiedenen Bühnen auf, was alles noch komplizierter mache.
Früher wurden Bühnenautoren nur zum Verbeugen eingeladen, offenbart der Altmeister, und vorher mit Alkohol willenlos gemacht. Ein bekannter Bühnenautor nenne sich daher Fritz Kater, als Zeichen, dass er das Handwerk von Grund auf beherrscht.
Entgegen archaisch feudalen Gebräuchen vertrete das Berliner Ensemble eine Dramatiker-Rundumbetreuung. Wer ihren empfindsamen Umgang mit zeitgenössischen Dramatikern nicht als Fortschritt anerkenne, dem sei nicht zu helfen.
Aber trotz behutsamer Empfindsamkeit, immer noch keine Werke für die große Bühne. Woran mag das liegen?
Einem Übergewicht des herrschenden Regietheaters stelle er nun das Modell des Regieautors gegenüber. Ein hoffnungsvoller Ansatz, weil Regisseure dabei keine fremden Stücke mehr inszenieren, sondern nur noch ihre eigenen.
Außerdem klopfe man seit Jahren bei amerikanischen Serienautoren an, ob sie auf ihre Millionen-Dollar-Gagen verzichten, um die Ehre zu haben, Stücke für das Berliner Ensemble zu verfassen.
Leider funkten immer wieder Broadway-Theater dazwischen, bedauert der verdiente Intendantenvater. Schreiben dauere eben, echte Kunst fresse Jahrzehnte.

Dennoch, nach wie vor stehe man geduldig in der Schlange, harre auf ein Vorstellungsgespräch. 
Das wären mal ein paar Autorenkaliber, aber Achtung, im Vorfeld nicht zu dick auftragen!
Den legendären „Intendantenloser Dercon“ bringt die Moderatorin von Deutschlandradio Kultur an dieser Stelle ins Gespräch, Reese kann sich kaum erinnern.
Ältere Zuhörer erinnern sich, auf welch geniale Weise Chris Dercon damals seine Bewerbung um die Intendantenstelle an der Volksbühne fingierte. Mit Sponsoren aus der Wirtschaft, die es vermutlich nie gab.
Wer hätte jemals etwas Lächerlicheres beobachtet, als sein Eintanzen in Tempelhof? Seit jenen Tagen ein gefeierter Tiefpunkt der Berliner Theatergeschichte. Dercon gilt inzwischen als Vorbild für berufliche Quereinsteiger. Sagenhaft, wie leicht es ihm fiel, versprochene Seifenblasen ganz einfach sanft wieder wegzublasen.
Ein Missverständnis eben, das ist menschlich, so etwas kommt vor. Fast sympathisch, der Mann.
Die Entdeckung der Langwierigkeit dramatischen Schaffens seitens des Theaterstrategen Reese wirkt dagegen wie ein feingeistiger Salto mortale. Niemals habe er geahnt, wie lange es dauern würde, ein Qualitätsstück zu verfassen, niemals vor seiner Amtszeit die Biografie eines Dramatikers gelesen.
Ob es jemals wieder einen Brecht oder Müller am BE geben wird?
Fantasiebegabte können sich vorstellen, wie BE-Autoren unter solchen Ansprüchen im Hamsterrad schwitzen. Aber eines ist sicher, eines Tages gelingt der große Wurf. Dann, Wahrheit, sie dich vor, folgt in Berlin ein Theater-Beben.
Man möchte den Eifrigen zurufen, ihr Genies, nehmt euch ein Beispiel an Fassbinder: „Das Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod schrieb Fassbinder 1975 in einem Zug runter, ein Beispiel für seinen extrem produktiven und fokussierten Arbeitsstil.“
Wie oft der Zug damals im Kreis fuhr, ist nicht überliefert.
Im Radiointerview versäumt die Interviewerin, Oliver Reese zu fragen, ob der „Geburtshelfer des Autorentheaters“ auch ein Verfechter des Antitheaters sei? Ob ihm Kontroversen liegen, oder zuwider sind?
Lieber keine Debatten als Zoff?
Am Ende des Interviews wird klar, Oliver Reese hat seine Befähigung für den etablierten Theaterbetrieb über viele Jahre hin nachgewiesen. Dieser Intendant und Autorenfreund müht sich ab, und wenn er wollte und sich traute, könnte er auch.
Glückwunsch dem Jubilar, zum zehnjährigen Arbeitsaufenthalt am BA, dem „Beinahe Autorentheater“!
Ex-Kollege Dercon hingegen wird als Leuchtturm des Versagens Berliner Kulturpolitik in Erinnerung bleiben, ein Mahnmal für Instinktlosigkeit.
Selbst als sich ein „Engel der Theatergeschichte“ vom Himmel über Berlin herab seiner erbarmte und ihm eine echte Theaterbesetzung bescherte, ihm zuflüsterte: „Mach endlich, Chris“ und sich dem Quereinsteiger für einen kurzen Moment die Chance bot, Berliner Theatergeschichte zu schreiben, öffneten sich seine Augen und die des Kultursenators nicht.
Anstatt ein engagiertes und kreatives Publikum eng an seine Brust zu drücken, es zu herzen und zu lieben, die kreativen Aufständischen und engagierten Köpfe am Schaffensprozess zu beteiligen, verfiel man in einen lähmenden Theaterbeamtenmodus.
Kein kreatives Chaos, stattdessen routinierte Langeweile, garniert mit ein paar Experimentierhäppchen. Postdramatische Neuberliner sind begeistert, was unsere Stadt einst besonders machte, wird postfaktisch abgehakt.
Der Büttel übernimmt, Störenfriede, ade!
Versehentlich könnte ja ein packendes Theaterstück das Licht der Öffentlichkeit erblicken, verfasst von jemandem, den keiner zuvor auf dem Zettel hatte. Keiner aus dem Kreis der geschliffenen Dialogschreiber, sondern eine oder einer jener Verzauberten, die aufgrund ihres Zorns, ihrer Radikalität oder Herkunft verbannt sind. 
Nach einer „Langen-Stücke-Lese-Nacht“ könnte von einem begeisterten Publikum eine Uraufführung eingefordert werden. 
Oh Gott, wie schrecklich! Verzeihung. Oh Schreck, wie göttlich!
Dramatiker warten immer noch auf ihr Uraufführungstheater, Herr Reese.
Copyright 2018, Volker Lüdecke, Berlin

23.10.18

Das Modell Dramatikerpreis

Wer von der schreibenden Zunft träumte nicht einmal davon, Medaillen geehrt in den Olymp der bedeutenden Dichter aufgenommen zu werden? Der belügt sich selbst, wer behauptet, sein schreibendes Ego dermaßen klein halten zu können.
Zumal im Theater, wo die Verfasstheit des Menschen auf dem OP-Tisch liegt, sein menschlicher Kadaver seziert wird und sich aus dem Prozess von Tod und Verwesung gespensterhafte Bühnenfiguren erheben, die als dargestellte Geister und Verkörperungen unseres Denkens und Handelns vor unseren Augen ein groteskes, vergebliches und deshalb grausames Schauspiel aufführen.
Teil dieser Lust zu sein, diesem makaberen und anrüchigen Spiel beizuwohnen, ist das ursprüngliche Geheimnis des Schauspiels. Selbstverständlich auch das Sehen und gesehen werden, ein weiteres Spiel, die beiläufige gesellschaftliche Selbstinszenierung.
Funktioniert eine Bühne aus dieser ursprünglichen Kraft, entsteht ein Sog, der in uns und vor unseren Augen eine neue fantastische Welt erstehen lässt. Spricht eine Inszenierung nur einen der Sinne weniger an, wird es anstrengend. Dafür lachen wir bestenfalls amüsiert.
Ein Theaterhaus, das einen Wettbewerb der zu sprechenden Worte anbietet, eröffnet im Dienste der Kultur einen Reigen der unterschiedlichen Blickwinkel, schleust den Zeitgeist in die Arena und mit ihm seine Verkörperungen, was uns anhaftet und heutig macht.
In diesem Forum tritt das demokratische Prinzip jenseits kleinlicher Parteipolitik vollkommen in Kraft. Glücklich kann sich die Gemeinde schätzen, welche ein solches Theater in seiner Mitte hat, und jedes Theater, das eine Gemeinde hat, die es so trägt und beschützt wie die Bürger von Kaiserslautern ihr Pfalztheater. Hier gehen sogar Schüler gern ins Theater.
Für die Dramatiker sollte diese der Sozialdemokratie nahe Kommune ein Ansporn sein, sich nicht allzu sehr zu behüten. Setzt euch dem Leben in all seinen Facetten aus, euch selbst, denn sonst könnt ihr nur fern von Wirklichem schreiben. Mutet euch Peinlichkeiten zu, scheut euch nicht, der Tollpatsch, die dumme Trine oder der Hanswurst zu sein! Holt den bösen Clown zurück auf die Bühne, damit er den Mächtigen Wahrheiten flöte.
Dafür reicht die Missionarsstellung nicht aus, ihre Message tönt zu bemüht und beflissen, Engstirnigen wird eine heterogene Weltbetrachtung immer als pathologisch erscheinen. Wer den Spott der Menge fürchtet, regt eine Debatte nicht an.
Eure Abgründe habt ihr vielleicht noch nicht entdeckt, eure inneren Widersprüche zerreißen euch womöglich niemals so wie einen Werner Schwab oder eine Sarah Kane. Niemand verlangt von euch, (literarischen) Selbstmord zu begehen, aber spannend ist es, ihn zu riskieren, schreibend in die Nähe des Abgrunds zu geraten. Euer wunder Punkt ist vielleicht die nächste Offenbarung im Theater.
Schaut auf die Namen, die noch vor wenigen Jahren gefeierte waren. Wo stehen sie heute in den Feuilletons? Euch bleibt nicht viel Zeit, dann folgt schon die Rückschau.
Den Gewinnern der Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreise 2018, Ewald Palmetshofer, Nele Stuhler, Leon Engler, Philippe Heule alles erdenklich Gute, Freiheit und Glück!
Copyright 2018, Volker Lüdecke, Berlin

9.10.18

Theatersammlungen in öffentlichen Bibliotheken für ein Autorentheater in Berlin!!!

Wenn der Artikel eines seit 1983 in Berlin lebenden Dramatikers über ein Autorentheater in Berlin nicht etwa im Tagesspiegel oder der Berliner Zeitung, sondern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheint, erzählt das einiges über den Zustand der Berliner Presselandschaft.
Der Prophet im eigenen Land, die Berliner Seilschaften, man darf sicher sein, in der Hauptstadt geht nichts seinen natürlichen Gang. Zu viele Interessenlagen behaken sich gegenseitig und am Ende gönnt keiner dem anderen was.
Deshalb sind höchstens kleine Schritte möglich, eine umfassende Theatersammlung in einer der Berliner Bibliotheken wäre beispielsweise ein solch zukunftsweisender Schritt, damit nicht allein engagierte Dramaturgen und Regisseure, sondern auch interessierte Zuschauer Gelegenheit finden, neue Stücke zu lesen.
Um danach vielleicht laut zu rufen, ja wo kann man die denn bitteschön aufgeführt erleben?
Der normale Zuschauer verhält sich ja nicht anders als der Bauer, der nur isst, was er kennt. 
Man nennt ihn auch Abonnent.
(der gesamte Wortlaut des o.g. Artikels ist im FAZ Archiv erhältlich)
V.L.  
 

29.9.18

Presseschau bei Nachtkritik.de

Manche Geschichten brauchen Zeit...

Ein gegebenes Versprechen einhalten zu können, ist ein schönes Gefühl, auch wenn es am Ende vielleicht nicht ganz gelingt.

Ich habe mein Versprechen gehalten. Was ich schreiben konnte, geschrieben. 

Wer weiß, worum es geht, weiß es. 

Die Presseschau bei Nachtkritik.de.  

 

14.7.18

Band II der Romanserie MORIGNONE

Band II der Romanserie MORIGNONE erschienen.
Wir leben in ungeheuerlichen Zeiten: die Industrienationen führen einen Metakrieg gegen den Planeten, Klimapazifisten werden griffig. Die überwiegende Mehrheit lebt mit schlechtem Gewissen gegenüber ihren Kindern und Enkeln, verharrt passiv gegenüber der dramatischen Entwicklung.
Stoff für eine TV-Serie? Na klar! Spannende Unterhaltung muss nicht zwangsläufig anspruchslos und inhaltsleer sein.