Wenn ein amerikanischer Hersteller von Bratpfannen in Brandenburg eine Bratpfannenfabrik eröffnet, muss er damit rechnen, dass ein Platzhirsch aus Brandenburg den heimischen Garten verteidigt. Im Gasthaus „Zum Hirschen“, am Stammtisch, oder am Stammtisch der Theaterkantine. Sich selbst auf´s Maul geschaut, zeigt sich Theater auf einmal „volksnah“ und nutzt die Klinge des „Überschreibens“, sein schärfstes Schwert gegenüber dem Original.
Der Originaltext sei tot, es lebe die „Überschreibung“?
Hirsche haben bekanntlich verschieden große Geweihe, auch soll es Unterschiede in der Größe zwischen amerikanischen Hirschen und einheimischen Platzhirschen geben, doch nach marxistischem Verständnis sind beide gleich: Sie verfügen über die Produktionsmittel, um Bratpfannen und Theaterstücke zu produzieren.
Doch wer hat die Bratpfanne erfunden, wer den Garten gemacht? Sie nicht, nicht ihr Geist. Sie gleichen einander im „Überschreiben“, mal Bratpfanne breit, mal Bratpfanne mit Flügeln, mal Obstgarten im Havelland, mal Gärten aus künstlicher Intelligenz.
Was unterscheidet vom amerikanischen Trend? Fremde dämonisieren, Migration verteufeln?
Während gutmütige Brandenburger neugierig hinter ihren Gartenzäunen staunen, wie gleichförmig die Wasser der Spree von der Oberlausitz hinunter zur Havel fließen, ist es im Theater um ihre Gärten geschehen: Giftige Atompilze sprießen zur Apokalypse empor. Im Staatstheater Cottbus enden Fritz Gärten, auch Sanssoucis bleibt nicht verschont.
Vielleicht ließen sich Gartenphilosophie und Bratpfannen Apokalypse auf einer metaphorischen Ebene miteinander verkleben, aber wenn´s partout nicht zusammenhält, taucht aus dem Backstage Kosmos eine Kamera auf, den inhaltlichen Bruch ästhetisch zu bebildern.
Auf der Bühne ist die Dystopie ein Stilmittel zur mahnenden Voraussicht. Mit gespielten Bunker „Livebildern“ wird sie eher zum erzählerischen Notstand der darstellenden Künste.
Ums Publikum wachzuküssen, müsste das Ensemble es schaffen, verdrängte Urängste zu erschließen. Solche irrationalen Kräfte wie Schaudern, Beten, Aggressionen oder Fluchtreflexe, jene Gründe, die in uns verschüttet liegen. Sie sind essentiell für eine Bühnenkunst, die in Deutschland verlustig gegangen wurde. Der Mensch an sich, zu Recht Gegenstand der dramatischen Künste, wurde hierzulande beispiellos überwunden.
Unserer verletzlichen Zivilisation gegenüber steht eine global entfesselte Megamaschine, deren Rädchen wir gleichzeitig sind. Theater hätte das Potential, unsere Ängste vor diesem Mahlwerk ans Licht zu bringen, als Voraussetzung dafür, die eigene Haltung zu bestimmen. Zum Schauspieltheater gehören Subtexte, die den Geist des Gesprochenen definieren. Wenn die Regie sie nicht lesen kann, wird auch kein Zuschauer sie hören und als von den Figuren erspielt erkennen können.
In meiner Mephisto-Trilogie, deren Parallelen zu manch Aufgeführtem dem geneigten Leser leicht auffallen werden, kann der Betrachter in logischen Handlungsstufen die dramatische Entwicklung aktiv miterleben. Aufgrund dieser Struktur kann er selbst frei assoziiere, ohne „overloaded“ ins theatrale Chaos zu stürzen.
Ob die Ästhetik einer zukünftigen Inszenierung meiner Mephisto-Trilogie dann comichaft, trashig oder noir ausfiele, spielt in dieser Dramaturgie nicht die entscheidende Rolle.
Als Theaterautor möchte ich gern einmal die Inszenierung einer "Überschreibung" überschreiben. Von welcher Regie, wähle ich noch aus.
Mephisto-Trilogie: Teil I Mephisto und die weise Frau (Verlag razzoPENuto, Berlin), Teil II Kaventsmann und die Faust im Kopf, Teil III Being Mensch
Postblitz: Bildungsbürger dürfen ihren Goethe zücken und sich mit dem Faust Mephisto schmücken, denn das Dämonische schlummert in ihnen, oder nirgends.
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