Volker Lüdecke
Tyrannen
morden
Als
Anarchist meine ich, mir alles erlauben zu dürfen. Den Angepassten einen
Spiegel vorhalten? Gehört zu meinen liebsten Streichen.
Wartend
in der Schlange vor einer Supermarktkasse, die nicht vorankommt, weil sich eine
Kundin bei den Zigaretten, die ihr die Kassiererin aus einem Fach reicht, nicht
entscheiden kann, oder den Beipackzettel lesen möchte, fehlt´s mir spontan an
Geduld.
„Hamma´s
jetzt?“
Die
Kundin zuckt zusammen, nimmt augenblicklich die nächste der angebotenen Schachteln
und eilt aus dem Laden. Von ihrem auffälligen Veerhalten inspiriert, erinnere
ich mich an die Verbrechen der Hamas in Israel und den darauffolgenden Krieg in
Gaza.
Die in
der Schlange hinter mir Wartenden grinsen, und die Kassiererin auch.
Ich
überlege, ob ich in der letzten Zeit in einem Fettnäpfchen gelandet bin, man
erfährt ja von anderen über sich so gut wie nichts, und meistens auch nicht
direkt das, was die Leute über einen verbreiten. Wann wurde ich zuletzt an
einer Supermarktkasse gemaßregelt?
Doch,
ja, wurde ich neulich auch.
Gemüse
kaufe ich meistens in tiefgefrorenem Zustand, weil ich aus dem Gefrierfach davon
weniger wegwerfe als aus dem Kühlschrank, außerdem habe ich dann immer Frisches
zum Kochen da.
In jener
Kassenschlange direkt vor mir, eine Frau ungefähr in meinem Alter, legt aus dem
Einkaufskorb ein Bündel Zucchini mit aufgeklebtem Preisschild, desgleichen eine
Gurke, eine Avocado, sechs Tomaten und drei Paprika, unverpackt auf das
Kassenband.
Ich,
hinter ihr in der Kassenschlange, stapele hinter ihrem Trennungsbalken meine Kartons
mit Rucola-Pizzen und Plastikbeutel voller Misch- und Kaisergemüse auf, wobei
sie mich, mir kontrolllustig zugewandt, mit geringschätzigem Blick taxiert.
„Frisch
ist das aber nicht.“
Meinen
Einkauf zu kommentieren, der sie nichts angeht, macht mich schlagfertig.
„Doch,
frisch eingefroren.“
Mitleidigen
Blickes wendet sie sich von mir ab, einen hoffnungslosen Fall falschen
Bewusstseins auf mich projizierend. Nach dem Bezahlvorgang bettet sie ihr
Gemüse bedächtig in eine Jutetasche und stolziert aus dem Geschäft wie eine
alte Missionarin im Land der Azteken.
Selbstverständlich
wäre ich froh, wenn das Problem mit dem Verpackungsmüll von den Verursachern in
den Griff zu bekommen wäre, aber auf Tiefkühlkost verzichten? Womöglich den
Verkauf von Tiefgefrorenem verbieten?
Das
Gefühl der moralischen Überlegenheit kenne ich gut. Bei mir hatte es sich besonders
stark in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts herausgebildet, als
ich gegen Kernkraft, gegen Rechtsradikale und gegen militärische Aufrüstung
demonstrierte.
Ich kann
mich noch gut an das Demolieren eines PKWs erinnern, in dem vier Teilnehmer
eines Neonazi Aufmarsches saßen. Sie hatten Pech, ihr Auto war nach der Demo im
Stau steckengeblieben und an Aufklebern eindeutig zu identifizieren.
Demolierte
Rückspiegel und verbogene Scheibenwischer, mehr nicht, an ihrer Limousine
entstanden lediglich Blechschäden, aber die Angst in ihren Gesichtern werde ich
nicht vergessen.
Von einer
Menge an Demonstranten umringt zu sein, die den Wagen schaukeln und ersatzweise
Mercedes Blech verdreschen, war von innen betrachtet bestimmt kein Vergnügen.
Trotzdem fühlte es sich damals gut und richtig an, Neonazis auf diese Weise zu
belehren.
Vermutlich
haben wir damals genau das Gegenteil einer pädagogischen Umerziehung erreicht,
was mich bis heute beschäftigt. Wie geht man mit solchen Leuten um? Durch
Gewalt steigt der Hass bis ins Unermessliche, und eines Tages eskalieren Gewalt
und Gegengewalt umso mehr.
Betrachte
ich manche meiner damaligen Aktionen aus meiner heutigen Perspektive, kann ich
mein Handeln nur schwer nachvollziehen, aber jung und wild zu sein bedeutet
eben nicht, weise und vorausschauend zu handeln.
Meine
Wut damals war auch eine Reaktion auf die deutsche Geschichte. Ausgelöst durch
einen Dokumentarfilm im Gemeinschaftskundeunterricht der Lutherschule in
Hannover, der uns unbedarften Schülern die Befreiung eines Konzentrationslagers
am Ende der Nazidiktatur zeigte. Diese Bilder der faschistischen Gräueltaten
werde ich nicht vergessen.
Genau
diese Wut in den Bäuchen der nachfolgenden Generationen war vermutlich auch eine
Geburtshelferin des RAF-Terrorismus. Ihre gezielten Morde kamen jedoch
Jahrzehnte zu spät, während der Nazidiktatur wären sie vertretbar gewesen.
Wie mit den
zahlreichen Menschen umgehen, die auf ihrer Suche nach Sündenböcken andere als
minderwertig betrachten? Oder denjenigen, die religiös verblendet sich über „Ungläubige“
erheben? Meinungen lassen sich nicht verbieten, aber aggressive Hierarchien
können enthauptet werden, wie beispielsweise der Faschismus.
Deshalb
plädiere ich für den Tyrannenmord.
Für
Demokratien gilt das nicht, regierende Dummköpfe lassen sich abwählen, und sie
sind keine aggressiven Hierarchien.
Die
Spirale der Gewalt beschleunigt zurzeit weltweit ihre Umdrehungen, wodurch
Fliehkräfte entstehen, die gegen uns alle wüten werden. Entrinnen kann dem bald
niemand mehr. Die Nachdenklichen und Aufmerksamen spüren diese Gefahr, weshalb
wir, Du und ich, die dafür Verantwortlichen stoppen müssen.
Die
dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts sind mahnendes Beispiel, und die
Dreißiger dieses Jahrhunderts brechen bald an. Wiederholt sich das Trauma, das
meine Eltern als Kinder und Jugendliche erleiden mussten und das sie unbewusst
weitergaben?
„Der
Teller wird leer gegessen!“
Als Kind
wurde mir ein „niemals Verschwenden“ eingeimpft, sogar wenn mir, als schlankem
Jungen, am Mittagstisch die dreimal aufgewärmte Mahlzeit zum Hals wieder
herauskam. Traumatisierte Generationen geben ihre Ängste weiter, vererben ihre markerschütternden
Erfahrungen, ihre Ängste vor Gewalt und Hungerleiden aus Kriegs- und
Nachkriegszeiten.
Angst ist
vererbbar.
Die
täglichen Hiobsbotschaften von den Kriegsschauplätzen machen sprachlos, ja
sogar meinungslos, hilflos. Bald werden wieder Eltern ihre tief erlebten Ängste
auf ihre Kinder übertragen, auf Kinder, die heute noch gar nicht geboren sind. Es
brennt und frisst sich wieder ein Grauen tief in die kollektive menschliche
Psyche hinein, wie ein Stempel auf einem zukünftigen Totenschein.
Plötzlich
erkenne ich mich in der Rolle meiner Vorfahren wieder, die vermutlich auch den
Frontberichten lauschten, damals jene furchtbaren, von den Nazi-Demagogen
verzerrten Meldungen, wie nun wieder in Russlands Medien. Die Wahrheit ist mal
wieder vor unseren Augen gestorben, wem kann man glauben, wer verfolgt welches
Kalkül?
Wiederholt
sich das alles, diese grenzüberschreitenden Blut- und Herkunftsorgien, diese
unfassbaren Dummheiten? Die fanatische Gier nach imperialer Größe und
abstraktem Einfluss? Wieder Folter in Internierungs- und Vernichtungslagern?
Demut
sei eine Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikation, lese ich von einem erfolgreichen
Publizisten, der sich kritisch über das zeitgenössische Theater und die
aktuelle Debattenkultur verbreitet.
Haben
wir verlernt, demütig zu sein?
Das
Zuhören wird allgemein nicht als aktive Leistung gewürdigt, eher als Passivität
und Zaudern fehlinterpretiert. Schnellsprechen erscheint dagegen als geistige
Flexibilität und legt sich wie ein gurgelnder Lautteppich über meinungsbildende
Talkshows.
Das
unbeirrt stoische Vorwärtssprechen suggeriert Kompetenz und
Durchsetzungsvermögen. Power, Persönlichkeit, Polemik. Was hinterher am Ende
dabei herauskommt, landet gelegentlich als mediale Leiche auf dem Seziertisch
der Nachbesprechungen, die kaum interessieren.
Er oder
sie haben im Millisekunden Zeitfenster unserer Aufmerksamkeit eine gute Figur
gemacht, darum geht´s, darum dreht sich zu viel in unseren Medien. Deren innere
Zerrissenheit arbeitet sich im Wettbewerb mit den Privatismen der sozialen
Medien ab, die sich wie riesige internationale Medienkonzerne mit Meinungshoheit
ausgebreitet haben.
Ihr
demokratischer Anschein, die angebliche Meinungsvielfalt, wird per Algorithmen
kanalisiert.
Seit ein
paar Jahren darf ich auch via Instagram mein anarchistisches Bewusstsein der
solidarischen Selbstbestimmtheit verbreiten, und nehme mir heraus, keiner
Debatte aus dem Weg zu gehen.
Weshalb
mir wöchentlich ein Shitstorm, oder das Gecancelt werden blüht.
Im
Moment scheine ich gerade mal wieder gecancelt worden zu sein, die bekannten
Symptome deuten darauf hin. Das anonyme Canceln von Vertretern einer
Gegenmeinung ist der dialektische Supergau.
Im
Theaterportal Nachtkritik, mit seinen wohl fortschrittlichsten Journalisten und
Journalistinnen aller Zeiten, wurde mir zuletzt eine Gelegenheit geboten, mich
nachhaltig um meine Verbannung zu bewerben.
Zur
Debatte stand die Frage, ob sämtliche Richard-Wagner-Straßen und Plätze aufgrund
seiner antisemitischen Ressentiments umbenannt werden sollten. Oder ob man den
Künstler als Mensch von seinen Werken trennen könne.
In
Windeseile flogen dem Beitrag zustimmende Kommentare entgegen: Ja endlich,
cancelt den Wagner, steinigt ihn!
Einer
schlug vor, die Werke Wagners ohne Nennung seines Namens als Straßennamen zu
verwenden. Den Ring der Nibelungen ohne Richard, und seine Idee des
Gesamtkunstwerks ohne Wagner. Sämtliche Opern, sein gesamtes künstlerisches
Schaffen, seine Arbeit, müsste dann also seinerzeit, rumms und holterdiepolter,
urheberfrei vom Himmel gefallen sein.
Sollte
das ein Witz werden?
Charly
Chaplin ist mir ein innerer Freund, ein geistiger Bruder.
Ich
stelle mir seine Motivation vor, als er den Film „Der große Diktator“ schuf. Er
wollte den, ihr wisst schon wen, öffentlich zum Narren halten und mittels eines
großen Gelächters auf sein wahres Maß schrumpfen. Charly beging den
Tyrannenmord mit seinen Waffen.
Im Jahr
2030, also in naher Zukunft, wird Chaplin als Tourist in Berlin auftauchen, ein
zufällig sich öffnendes Wurmloch wird seine Zeitreise möglich gemacht haben.
Verblüfft schaut er sich in unserer Zukunft um, die wir derzeit gestalten. Der
Anblick der deutschen Hauptstadt lässt ihn erblassen.
Allenthalben
und überall, sowie allerorten, liest er auf Straßenschildern die Namen von
deutschen Widerstandskämpfern, von erhabenen Künstlerinnen, allesamt total unbefleckt
und gänzlich frei von Fehlern. Keinerlei Makel wie Drogenkonsum, Rauchen,
Schimpfworte, Gewalt und sexuelle Inhalte an ihnen, eine Stadt freigegeben für
FSK ohne Altersbeschränkung.
Lobpreiset
dieses reine deutsche Land!
Seit dem
Mittelalter waren hiesige Regionen europäische Musterländle, darin lebten die
wahrhaft neuen Menschen, Herr und Frau Fabelhaft. Auch die schöne neue
Schießscharten Architektur Berlins weist darauf hin, sie untermauert unsere
hochentwickelte Weltoffenheit. Charly wackelt also total verblüfft durch die
neuen Berliner Zentren, voller Selbstzweifel, warum er denn 1940 seinen Film
„Der große Diktator“ gedreht hat, sein historischer Irrtum.
2040
wird der verirrte Wirrkopf Richard Wagner endlich vergessen sein, seine Opern
werden von einer KI überschrieben und umbenannt.
Eine
Renaissance der europäischen Oper ist daher ab den 2040er Jahren zu erwarten. Chinesische
Touristen werden in Massen in die Aufführungen gesteuert und einen gewaltigen,
ökonomischen Erfolg der Political Correctness bewirken.
In der
Folge werden von 2050 an die Biografien sämtlicher Komponisten aus allen
vergangenen Epochen und Jahrhunderten auf dunkle Flecken und geistige
Fehleinschätzungen hin durchleuchtet, um sie auf gleichsam lohnende Weise
posthum zu enteignen. Ihre Namen werden in den darauffolgenden Jahren gleichermaßen
konsequent verschwinden.
Im
Kapitalismus geht nämlich nichts verloren, weil mit dem größten Mist das meiste
Geld verdient wird.
Aber mir,
als wahrhaft extremistischem Anarchisten, geht das nicht weit genug.
Es ist
ein feiges Vorgehen, die Toten können sich nicht mehr wehren. Wir müssen
endlich an die Lebenden ran. An die Verdächtigen, die Doofen. Die zeitgenössischen
Ikonen des Nonsens müssen bei lebendigem Leib umbenannt werden, damit sie sich
selbst nicht mehr kennen.
Ihre
Namen sollen verschwinden.
Alternativlos,
oder als Alternative, ihr freiwilliger Kuraufenthalt in einer humanen 3 Sterne
Psychiatrie.
Björn
Höcke dürfte von heute auf morgen als Björn Böckchen auftreten, aus Victor
Orban wird Hector Urban, aus Giorgia Meloni natürlich Coco Mera, (deutsch:
Wassermelone), und aus Gerhard Schröder wird Steffen, der Freund.
Ich
weiß, man treibe keinen Spott mit Namen, aber egal, mein anarchistisches
Gelächter braucht ständig frische Nahrung, sonst lache ich mich irgendwann
schlapp.
Nach den
persönlichen Umbenennungen werden die Biografien der Delinquenten gelöscht und
alle Verfehlungen und Missetaten amnestiert, das heißt aus der Geschichte
gelöscht. Wikipedia, sämtliche Webseiten und Interneteinträge, soziale Medien, ein
komplett vernichtender Datenfraß bis tief ins Darknet ihrer Verfehlungen.
Danach
dürften diese Glücklichen ihr Leben neu beginnen, Gruppentherapie mit Händchen
halten und großzügiger psychopharmazeutischer Lebenshilfe.
Ab den
2060er Jahren gibt es keinen einzigen Politiker auf der Welt mehr, der ohne
redigiertes Redemanuskript sprechen möchte, die Psychopharmaindustrie wird
gigantische Profite erzielen und in öffentlichen Debatten wird zukünftig vorsätzlich
geschwiegen.
Das Tier
in uns wäre somit endgültig gezähmt, die Dummheit als Geißel der Menschheit vollständig
ausgerottet und bestimmt gibt es ab 2070 einen zu 98 Prozent wirksamen
Impfstoff gegen Infantilität und Stupidität. Alles gut, keine Probleme mehr,
wir müssen die Zeit bis dahin bloß überstehen.
In
dieser wohl wichtigsten Ära der Rettung der Menschheit gibt es nur ein sicher
wirksames Rezept, die weise Indikation kontra Untergang lautet:
Rückbesinnung
auf die Werte des Anarchismus, und damit meine ich nicht den Typus des normalen,
spießigen Anarchisten, der sich die Frechheit erlaubt, über den Wolken auf der
Flugzeugtoilette einen Joint durchzuziehen und diese waghalsige Tat noch
jahrelang seinen Kindern und Enkeln auftischt, sondern einen Anarchismus der
Superfrechheiten, eine politische Rhizom-Kultur, die zum Schrecken der
tyrannischen Machthaber wird.
Ein
Netzwerk, dass sich sporenweise und quasi unterirdisch unsichtbar pilzig
verbreitet und dann spontan aus dem Erdreich heraus zuschlägt, wodurch die
selbstverliebten Potentaten, einer wie der andere, ähnlich den Kegeln der
Kegelbrüder, möglichst alle neune auf einmal endlich fallen.
Überraschende
Schläge aus Hinterhalten, aus vernachlässigten IT-Netzen, aus den
Kanalisationen oder vom Himmel herab, aus Stratosphären Ballonen. Die Lücken in
ihren Bollwerken nutzend, damit die Usurpatoren der Menschenrechte, die sich
anmaßen, über die Welten der anderen zu herrschen, auf einmal bloßgestellt
erscheinen, so menschlich stupid, wie sie wirklich sind, diese von Egoismus und
krankhaftem Wahn getriggerten, erbärmlichen Kreaturen.
Das
würde uns helfen, dann bräuchten wir keine gigantischen Militärausgaben mehr,
die verhindern, dass wir die noch bedrohlicheren Lagen meistern könnten, deren beängstigende
Vorboten wir längst erleben.
Also ein
sehr ernsthafter Anarchismus, ein vom Völkerrecht und aus Notwehr legitimierter
Zorn gegen die Killer der letzten Generation!
Eine
globale Menschenwut, die nur so lange andauert, wie die Schieflagen
fortbestehen, der Ruin unserer Zivilisation vorangetrieben wird. Solange die derzeit
dümmsten menschlichen Exemplare regieren und die Notlagen befördern, solange gebe
es kein Appeasement gegenüber Diktatoren.
Sind die
falschen Autoritäten endlich von der Macht entfernt, überlassen die Anarchisten
die Macht wieder den Bürokraten, die in ihren Amtsstuben gemächlich den
täglichen Fortgang verwalten, denn Anarchisten kleben niemals an der Macht. Wir
bekämpfen bloß deren Missbrauch und prangern Anmaßung, Korruption und staatliche
Willkür öffentlich an.
„Prädikat:
Wertvoll“.
Nein, nun
wird es schmutzig, davor muss ich warnen, wie in den audiovisuellen Medien vor
den meisten sehenswerten Filmen und Serien gewarnt wird, ganze Listen von Warnungen
plakatiert werden.
Ich
warne vor meinen folgenden Sätzen. Es können Absätze mit Rauchen, Drogenkonsum,
Gewalt, sexuellen Inhalten und gefährlichen Schimpfwörtern darin vorkommen, ich
warne sehr, denn es handelt sich um extreme Schmutz- und Schimpfwörter und
fabulierte Gewalt.
Bitte, falls
Sie noch keine 18 Jahre alt sind, sollten Sie nun aufhören meinen Aufsatz zu
lesen. Mein Anliegen ist es, Sie vor allen erdenklichen Traumata zu bewahren.
Ich
möchte auch nicht so leicht durchschaubar erscheinen, wie jene
Filmproduktionen, die derlei Fünf-Sterne-Warnungen als Gütesiegel für ihre
Filme missbrauchen, um auf diese billige Tour Neugierde zu erzeugen. Nein,
nein, nein, wenn Sie weiter meinen rotschwarzen Ausführungen folgen möchten,
dann tun Sie es, lesen Sie einfach weiter!
Für alle
zum Schlimmen Verführten ist dies der Moment, sich aus Sessel oder Sofa zu
erheben, sich einen alkoholischen Drink aus dem Kühlschrank zu holen, oder eine
Zigarette, Pfeife oder einen entspannenden Joint auf dem Balkon durchzuziehen, und
wer möchte, könnte spontan auch ein Nickerchen veranstalten, Hauptsache, alle
sind in ein paar Minuten wieder als Leser präsent.
Alle
wieder bereit?
Ok, mit
dem Nickerchen geht´s nicht so schnell, bloß keine Eile beim Genuss, niemals
den eigenen Schutzengel überfordern!
Wie
versprochen, jetzt wird´s eklig.
Ich bin
ja bloß ein anarchisch Schreibender, mit meinem faktisch nahezu wirkungslosen,
widerstandsfähigen Geist. Doch gibt es eine Bewegung von entschlossenen jungen
Frauen und Männern, die selbstbestimmt leben und arbeiten wollen, sie halten
dem Tyrannen notfalls auch mit Gewalt ein Stoppschild vor: Beende deinen Krieg,
sofort!
Ihren luziden
Träumen von einem Leben ohne Tyrannenherrschaft leihe ich meine Kreativität
ohne Bezahlschranke, und wünsche, der Weltgeist möge glühende Funken aus seinem
Feuer wehen und manche notwendigen Gedanken über Ländergrenzen hinwegtragen.
Vergesst
niemals, dass wir es nicht mit Göttern zu tun haben, die ihre Raketenblitze aus
einem Himmelreich senden, sondern mit Menschen in Hausschuhen und Pyjamas. Hört
zu, Despoten, bald schlagen wir euch!
Sie
essen und scheißen wie wir und pflegen ihre Weichteile mit Salben und
Tinkturen. In ihren Palästen stehen ihren Gästen unzählige Suiten zur
Verfügung, mit prächtigen Bädern und goldenen Armaturen. Wenn es ihnen gefällt,
ins Nasse zu hüpfen, müssen sie dafür kein Ticket an der Kasse einer Badeanstalt
lösen. Bedienstete reichen ihnen Bademäntel, feine Seifen und Handtücher herbei.
Und
nebenbei ordern sie beim Tyrannenkollegen in einem kurzen Telefonat tausend
neue Raketen, die ihre Soldateska auf Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser
abfeuern darf.
Sie
bestellen Raketen wie unsereins asiatische Mahlzeiten, doch sie essen nicht mit
Stäbchen, sie suchen auch nicht nach etwas Nahrhaftem zwischen zu viel Glutamat
haltiger Soße. Über derlei Stäbchen sind sie erhaben, sie studieren Landkarten,
auf denen sie Grenzen verschieben möchten, denn dem größten Land der Welt fehlt
es an Platz.
Ihre Sportwagen
möchten sie ausfahren, auf Wildpferden reiten, grenzenlos mehrere Tage lang in
eine Himmelsrichtung driften. Ihr Verständnis von Freiheit ist die Weite. Keine
Landesgrenzen passieren zu müssen, während vom Straßenrand Zwangsuntertanen
grüßen. Den freien Blick bis über den Horizont hinaus genießen, darin liegt
ihre Leidenschaft. Den Megamotor mal so richtig ausfahren, bis die
Weltwirtschaft knallt.
Da passt
es einfach nicht, wenn irgendein rebellisches Völkchen meint, die Potenz dieses
Boliden ausbremsen zu dürfen. Die Widerspenstigen verbeugen sich nicht, wenn
zur Hauptsendezeit Tyrannen auf ihren Bildschirmen auftauchen, die stehen nicht
mal vor Ehrfurcht aus ihren Fernsehsesseln auf.
Das
provozierte diesen Ärger.
Der
schlaue Tyrann tritt anfangs bescheiden auf, verbeugt sich tief vor seinen
gefallenen Soldaten, den in ihrer Jugendblüte zerfetzten Körpern, die er eiskalt
in den Tod geschickt hat. Ihre Mütter lädt er auf seine Seite der Palastmauern
ein, um sich an ihren Tränen zu ergötzen.
Für das
Vaterland seien sie gestorben, und nun eingetragen ins nationale Verzeichnis
des Totenkults. Dabei tarnt er mit väterlicher Stimme seinen Sadismus, doch in
seinen Fingern zuckt´s, einer dieser nassgeweinten Mütter, die im schwarzen
Kleid neben ihm sitzt, unter den Rock zu greifen.
Sein
Volk leiden zu sehen, beweist ihm seine Erhabenheit.
Doch im
selben Moment hat der Hohepriester des Regimes seinen Auftritt, ein Mann des
Geheimdienstes, der Oberteufel unter den Kirchenmännern, die auf der ganzen
Welt für den Frieden im Sinne des Tyrannen beten.
Bitte,
Herr, mögen die Angegriffenen sich ergeben, endlich die weiße Fahne heben, der
Anblick der Opfer stört weltweit unseren Frieden!
Nun
segnet dieser Teufel die weinenden Mütter, gottlos hinter seiner religiösen
Fassade, der Unterwerfung gebietenden, festlichen Pracht seines Priestergewands.
Ihm können die einfachen Frauen nicht widerstehen, vor diesem sündhaft teuren
Stoff wagen sie nicht, um ihre gemordeten Söhne zu schluchzen. Stumm verharren
sie, und so dumm, seinem teuren Segen ihren Glauben zu schenken.
Zöge
doch wenigstens eine, verzweifelt von ihrem Schmerz, über das nie mehr zu
erblickende Lächeln ihres Sohnes, blitzschnell eine Haarnadel aus dem Zopf und
stäche auf die Halunken ein!
Doch von
Geburt an zur Feigheit erzogen und lebenslang als Untertanen gehalten, erdulden
sie diese Schmach vor dem Angesicht ihrer Toten und fügen sich ihrem Zweck, dem
Diktator neue Kinder zu gebären, zu füllen sein Reich mit Rekruten.
Charly
hat´s diesmal nicht durchs Wurmloch ins Hierseits geschafft, vielleicht krümmt
sich der Weltraum bei unserem erbärmlichen Anblick vor Scham, weit weg in eine andere
Richtung. So bleibt uns verborgen, wie Chaplin unserer Epoche den Spiegel vorgehalten
hätte.
Hallo Zensoren,
steht ihr bereit, anarchischen Witz zu verbieten?
Dessen subversiven
Kräfte fürchten die Mächtigen mehr als Kanonen und Raketen. Ihr Ansehen soll stets
makellos erscheinen, wie die Straßennamen Berlins. Sobald ein jeder über sie
lacht, schwindet ihre Macht, dann verpfeifen sie sich durch die Winde davon,
wie ein sich furzend seines Gases entledigender Luftballon.
Mir ist,
als ein solch herrschaftlich pfeifende Winde träumender Anarchist klar, dass ein
von fremden Mächten erzwungener Regimewechsel in der Geschichte der Menschheit selten
einen Übergang zum Besseren gewährleisten konnte. Doch wenn ein einziger Mann
die Welt als seine Geisel hält, darf ich auf eiskalt pfeifende Winde wohl hoffen.
Ein Tyrann,
dessen geistiger Horizont sich in seiner Karriere von einer anfänglichen
„Hündchen-Stellung“ gegenüber dem Apparat nun bis zur höheren „Missionarsstellung“
entwickelt hat, wofür er manche Medaille bekam, sollte seine Machtfülle nicht
innehaben.
Warum
starb Kennedy?
In den
schrillen Verschwörungstheorien wird es keinen Unterschied ausmachen, ob ein
aufrechter kleiner Handwerker den Despoten zur Strecke brachte oder ein
Anarchist mit Vorfahren aus dem spanischen Bürgerkrieg. Die verschwörend
mäandernden Lügen der Demagogen bleiben der Wahrheit gegenüber so oder so nebulös.
Warum
ist das Ende des Despoten nah?
In
meinen, meistens makabren Ideen für ein Ende von Kriegen, spielen künstliche Ratten
und akkubetriebene Hornissen eine zielführende Rolle, auch dressierte Schlangen
liebe ich für ihr Talent, sich durch kleinste Öffnungen hindurchzwängen zu
können, denn kein Palast ist luftdicht verschlossen, da schafft´s ein David gegen
den Goliath irgendwie rein.
Sei es
durch Luftschächte, Ventilatoren oder Heizungsanlagen, meinetwegen auch durch
die Kanalisation, die einmal in 3D vermessen, gern zum unterirdischen Fließband
für kleine Attentäter werden darf. Die Tyrannen dieser Welt mögen die Scheiße
in ihren Köpfen düngen und pflegen, ihr Gedärm hält als Speicher nicht im selben
Umfang stand.
Soll eine
künstliche Bisamratte mit ihren giftigen Zähnchen pünktlich aus dem Abflussrohr
kriechen, und wenn ein Potentat denkt, schon wieder jucken ihn seine
Hämorriden, sticht in Wahrheit der Stachel der Freiheit sein empfindliches
Wesen.
So wie einst
die kleine David Drohne das stolze Moskwa Raketenkriegsschiff im Schwarzen Meer
versenkte, fühlt sich der Strippenzieher des Todes auf seinem Käptn´s Deck auf
einmal unpässlich. Warum bewegt sich das Meer unter seinem Schiff so unruhig? Der
edle Marmorboden schwankt, sein Meer mit seinen Wellen, die ihn doch soeben
noch auf Händen getragen haben?
Was
steht denn in seinem Kalender? Heute sterbe ich?
Sein Blick,
der meistens exakt analysierend auf Menschen wie auf Gegenstände fällt, möchte
nun eigenmächtig das Mobiliar verschieben, als folge er unerklärlichen Mächten.
Noch denkt er, etwas zu wissen, glaubt vielleicht an ein Erdbeben, bis das
wirksame Gift den ersten Kalk aus seinen Synapsen sprengt und sich der gesamte
Boden zur schiefen Ebene verbiegt.
Welchen
Gedanken wird er als letzten behalten?
Meint er
vielleicht, es handele sich um die Druckwelle einer gigantischen Explosion,
deren Verlauf er in Zeitlupe wahrnehme, oder ein gewaltiger Kaventsmann drücke
gegen sein Kommandodeck?
Oder
meint er, treu seiner Vergangenheit, er habe wie früher gesoffen, so dass ganz
natürlich der Boden unter ihm schwanke?
Seine Hand
greift ins Tischtuch, wobei sie das Porzellan vom vorbereiteten Abendessen
zusammen mit ihm zu Boden reißt.
Das
Kaviargedeck zerschellt splitternd auf seinen unerbittlichen Steinen, die Tafel
zeigt dunkles, afrikanisches Mahagoniholz. Die glitschigen Fischeier fliegen
wie Streumunition über die aus Syrien gestohlenen Teppiche, deren filigranen
Ornamente Kriegswitwen knüpften. Zuletzt ergießt sich das heiße Wasser des
kaukasischen Samowars, verbrüht den ausgestreckt daliegenden Tyrannen. Seine Nerven
unter der Haut senden ihre letzte Schmerzbotschaft, wie die der bei lebendigem
Leib verbrannten Opfer seiner Phosphorbomben in Mariupol.
In diesen
Sekunden schließt sich der kaukasische Kreis seiner Kriege, nun ist sein Körper
das Schlachtfeld. Die letzten Hirnregionen seines imperialistischen Denkens erlöschen,
zurückerobert hat die Ukraine ihr gestohlenes Land.
Vielleicht
wird das letzte Bild, das er sieht, ein Gemälde sein, ein sowjetisches Ernte-Stillleben,
fröhliche Landarbeiter bringen Getreide ein.
Blut auf
den weltbekannten Lippen seines Mundes, an denen viele gehangen haben, atemlos
seinen Maßregeln lauschend. Seinen Tiraden, sein Land sei umzingelt, das größte
der Welt!
Was
hätte er noch nicht behauptet? In dem ihm typischen Duktus seines
schwerfälligen Kehlkopfes formuliert?
Wie
Junkies an der drogenspendenden Nadel hingen sie an ihm, weil er sich großzügig
gab, wenn sein Kalkül es verlangte. Nun keucht es noch aus ihm, anstelle
hasserfüllter Suaden ein Röcheln in Schmerzen.
Maskuline
Kälte prägte sein Zarenreich.
Sein
Testament könnte aufschlussreich werden, dessen Zeilen der Dichter Gogol, mit
seiner Diagnose der Taphephobie, für sein „Danach“ verfasst haben könnte.
Gebt mir
eine Leine mit in den Sarg, und oben auf meiner Grabstelle ein Glöckchen, damit
ich, im Falle, bei lebendigem Leib bestattet worden zu sein, die Schelle nach
oben läute!
Dies
soll, einer zukünftigen Legende folgend, im Testament des Despoten zu lesen
sein werden. Und es soll zahlreiche Unverbesserliche geben, die das Grab des
Diktators auf dem Friedhof besuchen. Welchen Schrecken das Läuten des
Glöckchens bei ihnen bewirkt, gehört zu den nebulösen Legenden der Zukunft.
Sofern
wir dann noch aufmerksam dabei sein dürfen, wird ihm seine alte Armee von Trollen
und Verschwörungstheoretikern noch in 30 Jahren huldigen, das war bei allen
Tyrannen so und wird bis ins nächste Jahrhundert so bleiben.
Der
Totengräber, dessen Sohn in einer der imperialistischen Schlachten des Teufels
fiel, wird von frisch ausgehobenen Grabstellen aus, sein spezielles Schauspiel
genießen. Sobald ein früherer Komplize des Menschheitsbetrügers der Grabstätte seinen
Besuch abstattet, wird er auf seiner Fernbedienung einen Schalter aktivieren, wodurch
ein unsichtbarer Elektromotor am Faden des Glöckchens dessen Läuten auslöst.
Mit
dieser posthumen Reaktivierung des Diktators, vermeintlich aus dessen Sarg
heraus, wird der Komplize vor Grauen erstarren und seinen Herzstillstand
erleiden, wofür die offenen Grabstellen nebendran vorbereitet sein werden. Wer
diesen Schock überlebt, wird schreiend über die offenen Gräberreihen flüchten:
„Oh
Herr, erbarme dich, der Teufel verlangt nach mir! Ich gestehe meine
Kriegsverbrechen. Lieber ein ordentliches Gericht als so hinabgezogen zu
werden.“
Der
Totengräber wird seine Genugtuung erfahren, mit einer Strichliste unter dem mit
Kerzen umrahmten Bild seines gefallenen Sohnes. Und bis an sein Lebensende wird
er derlei Berichte verbreiten, vom seltsamen Verschwinden einzelner Personen,
die man an der Pforte des Friedhofs noch munter sah.
Die
Zukunft nach dieser Zukunft betrachtend, dürften die Trolle dieses Führers die
Mär von seinem angeblichen Überleben des anarchistischen Attentats verbreiten,
dass sein wahrer Körper über Antennen des Vatikans nach Argentinien verstrahlt
worden sei, oder ins Paradies von Nordkorea, wo ein neuer Dr. Frankenstein dergleichen
Monster reanimiere.
Der Friede sei nah.
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