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l%C3%BCdecke-a8699a43?trk=profile-badge">Volker Lüdecke

16.3.10

Gastritisches Grinsen

Im Friedrichsheim werden viele sehr gut gekochte Gerichte günstig angeboten, so dass es in ganz entspannter Atmosphäre keinerlei Veranlassung gibt, einem TV Gastritiker bei seinem verkrampften Mahlzeit Grinsen zuzusehen.
Aus medizinischem Interesse vielleicht, um den modisch verhandelten Krankheitsbildern ein selbst beobachtetes als Gesprächsthema hinzufügen zu können, fällt es dennoch schwer, wenn via Bildschirm andauernd übel riechendes Aufstoßen in die Haushalte gefurzt wird.
Aber es gibt ja auch in solchen Sendungen Highlights, wenn die einfachen Angestellten eine französische Revolution vortanzen, um in einem symbolischen Akt ihrem Chef den Kopf zu guillotinieren. Das sind die sichtbaren Vorboten der Revolte, die eines fernen Tages in allen Sendern aufgeführt werden wird. Falls die Schuldenerbengeneration mit ihren satten Vorverbrauchern wirklich aufräumen möchte.
Steffen Seibert vom ZDF wurde ja erst neulich in einem Akt pazifistischer Erregung öffentlich in der ARD zerhackt, um auf die verbrecherischen deutschen Rüstungsexporte aufmerksam zu machen.
Bravo, da spiegelt sich wahrer revolutionärer Geist, wie er in den Köpfen junger Mitarbeiter unbedingt herumspuken müsste, damit sie telegen, und nicht stupide langweilig sind.
Wer mit Ende zwanzig noch kein Burn Out Syndrom vorweisen kann, hat in seinem Leben nie eine Schippe angefasst! Was wäre dagegen etwa eine harmlose Gastritis?
Dennoch, wer sich über die Ursachen dieses heimtückischen Öffentlichkeitskillers eingehender informiert, wird bald feststellen, dass sie nur ein Symptom einer noch viel heimtückischeren Krankheit darstellt, welche in allen 4711 Studiobedingungen zu finden ist.
Funkwellen, die von den vielfältigen technischen Studiogeräten wie Moderatorenmikrofon oder Kamerakopfhörern ausgehen, zerhacken den Äther in immer kürzer werdende Luftmassen, was zu Atemnot und Perforierung des Bindegewebes führt.
Anders ausgedrückt, könnte man es so deuten: mit jeder Sendung wird der Schwanz ein bisschen kürzer, also nicht nur am Kopf.
Das belastet ihn. Wie in der Mikrowelle demonstriert, sollten sich Fernsehmoderatoren möglichst wenig bewegen, um nicht gefährlich zu überhitzen. Deshalb sitzen bereits viele von Ihnen hinter schweren, mit Blei verkleideten Schreibtischen. Gleichzeitig verleiht dieses Möbel eine dem deutschen Untertanengeist plausible Chefaura. Wow, da sitzt er, unser Chef. Spricht wie Bundeskanzlerin ins deutsche Wohnzimmer. Mit einem ähnlich gastritischen Grinsen im Gesicht.
Wow, das hat Gewicht.

9.3.10

Studio 4711

Es ist ja nicht einfach hinzunehmen, wie in der letzten Zeit unsere reinste Besinnungstheologie in den Schmutz gezogen wird. Dabei ist das alles längst verjährt! Man möchte ja gar nicht erwähnen, worum es dabei geht. Wir sollten uns nun gemeinsam in diesen schwierigen Zeiten bei den Händen fassen (und nur da), und es uns bei Harald bequem und gemütlich machen.
Dafür lasst uns alle kämpfen, dass es im Studio 4711 in Zukunft gemütlicher wird! Was soll zum Beispiel dieser „Katzentisch“ neben Haralds großem Schreibtisch? Wie soll der Meister da seinen grandiosen Spagat zwischen Stammtisch und Elite vorführen?
Keiner beherrscht den Stammtisch besser als der Waldi vom Sport. Da muss ein Stammtisch hin! Über Sport lässt sich nämlich mit einer Ernsthaftigkeit streiten, wie es sonst in keinem anderen Bereich unserer Gesellschaft vorkommt. Der Waldi könnte gleich die Pointe vom Harald ein bisserl durchkauen, ob sie am Stammtisch auch goutiert wird. Dann wüsste Harald gleich sofort, ob er nur die dünnen Schichten der Elite, oder doch die breiten Massen an den Stammtischen erreicht.
Um auch die Elite noch ein bisschen mehr anzulocken, könnten auf Haralds Schreibtisch zwei Bücher stehen. Zwei moderne Klassiker der vergangenen modernen Theaterlandschaft. Einmal, hervorgehoben auf einem in einer katholischen Blindeneinrichtung gefertigten Häkeldeckchen: das herausragende Theaterstück „Disco Pigs“. Und gleich daneben: „Shoppen und Ficken“, ein Bühnenklassiker, wie ihn bestimmt auch unsere katholische Elite nicht missen möchte.
Endlich würden unsere Intellektuellen einmal angespornt, sich zu trauen, was sie sich sonst nicht trauen. Damit Schmidt sich nicht immer stellvertretend für sie geistig trauen muss! Harald hat den Hang zum Zweitbuch, eher zum Intellektuellen hin, wäre nebenbei die subtil aufrüttelnde Botschaft ans gemeine Volk.
Ein paar Häkeldeckchen als Ärmelschoner sollten natürlich an alle Studiogäste verteilt werden, damit sie sich nach dem Beifall die Hände abtrocknen können. Dazu samtene Vorhänge vor die Fenster, um den Kölner Bauskandal nicht ständig vor Augen zu haben. Insgesamt würde eine herzlich besinnliche Stimmung erzeugt, besonders wenn Haralds Kleinkünstler ihre geistigen Kerzen anzünden.
Vielleicht bringt sogar Benedikt persönlich eine Stehlampe vorbei, oder wenigstens einen Lampenständer, ohne Schirm, ganz nackig und frei. Wir sind ja nicht prüde.
Ich zitiere nur Lukas drei, Psalm sechs: wichtig ist nicht nur Eisen auf dem Dach, sondern auch im Keller! Damit unsere Zukunft bombensicher ist. Deshalb hat Bill Finger dafür gesorgt, dass die Kölner U-Bahn Eisen jetzt in Berlin sicher verbaut sind. Um die Spree, diesen reißenden Strom, der ständig über seine Ufer tritt, endlich einzudämmen.
Danke für Kölner Geschenke! Dem biblischen Lukas sei Dank! Auch niedriger Preis auf dem Schwarzmarkt ist im Grunde genommen wie verschenkt. Danke! Schließlich wären die rostigen Kölner Eisenhaken sonst irgendwo nutzlos auf dem Schrott gelandet. Alle Berliner TV Studios sind jetzt grundwassersicher. Der gemeine Berliner an sich weiß das bei seinen zahlreichen, täglichen Baustellen jedenfalls zu schätzen. Schließlich steht ja der „Hungerhaken“, das Denkmal, noch in Berlin!
Vielmals bedankt!

2.3.10

Durchgangsgeister


Wir sind ja nur getrieben von unseren Gedanken, aber wer das Gefäß gefüllt hat, bleibt rätselhaft. Wer am alten Sender - Empfänger Prinzip festhält, und sich auf anonyme Quoten beruft, kennt seine Kenner nicht und möchte sie nicht kennenlernen. Vielleicht sogar seine eigenen Mitarbeiter während der Arbeit nicht.
Was würde Frau Käßmann zu solch einem Fall wohl sagen? „Schmidt, geh in dich, und werde Mißbrauchsbeauftragter der katholischen Kirche! Dort kannst du noch Abgründe entdecken, die sogar dir fremd sind.“
Und Schmidt nahm den wohl gemeinten Ratschlag aus dem feindlichen Lager an, unterzog sich einem strengen Büßerritual, und folgte anschließend, weiß wie der Schnee, seinem Herrn zu dienen.
An seinem neuen Arbeitsplatz traf er überraschend seinen Doppelgänger, der sich wie er für die hohe Politik hatte ablichten lassen. Nein, er nannte sich gottlob nicht Oettinger, sondern Rüttgers, was ein wohlklingender, westfälischer Dickschädelname ist.
Rüttgers wetterte sofort los: Ich habe eine Frau, und du hast gleich drei. Das sind ja Sitten wie bei den alten Muselmanen, wie beim Kalifen von Köln.
Bescheiden nickte Schmidt in seine Kutte, reichte seinem Doppelgänger zur Bitte um Vergebung die Hand, und beide zogen sie fortan gemeinsam für die CDU in den Wahlkampf, denn christlich zu sein ist unteilbar verbunden mit dem Kampf für den einzigen Herrn. Und Frieden war fortan im Westfalenland, weil man gemeinsam die Protestanten vertrieben hatte.

22.2.10

Rabederwelle

Die Mediaspree verschenken! Aktion hat laut JFK nun auch die Alpenrepublik Österreich erfasst: der Multimillionär Karl Rabeder verschenkt seine Millionen an Bedürftige in Entwicklungsländern, die aus dem Vermögen Mikrokredite erhalten sollen. Bravo!
Wenn nun beinahe halb Europa von dieser neuen Zivilisationserscheinung des Verschenkens erfasst wird, sollten entsprechende Würdigungen staatlicherseits als Anreiz für Nachahmer erfolgen. Der Staat könnte schließlich am Ende sogar Steuern einsparen, weil Sozialleistungen überflüssig würden.
Eine „Karl Rabeder Autobahn“ ins Urlaubsland Österreich wäre ein erster Schritt in diese Richtung und würde jeden Touristen daran erinnern, mit welch schlechtem Gewissen er fortan in seinem Urlaub Geld sinnfrei am Skilift verschwendet.
Nach dem Ende der staatlichen Abwrackschenkungsprämie könnte eine staatliche Verschenkungsprämie von 2500 € demjenigen ausgezahlt werden, der seine Luxuslimousine zum Wohle von Bedürftigen verschenkt.
In Berlin wäre unbedingt eine Straße in „Wolfgang Fehse Zeile“ umzubenennen, um aufrichtiges, soziales Engagement endlich mit einem sichtbaren Danke zu würdigen!
Harald Schmidt könnte seinem Doppelgänger Oettinger einen Englisch Kurs schenken, weil der ja auch bedürftig ist. Unter der Bedingung, dass Oettinger fortan seine Sendung moderiert. Dann würde sich mindestens endlich herausstellen, wer von beiden der bessere Oettinger ist. Oder der bessere Schmidt.
Auch Doris Heinze vom NDR könnte man fragen, ob sie ihre Drehbücher verschenkt?!
Die „Großbankhöfe am Friedrichsheim“ könnten dagegen langsam und parzellenweise Monat für Monat verschenkt werden. Das erhöht die Spannung. Zuerst die Sahneimmobilien in der ehemaligen Fabrik, dann die ehemaligen Bedienstetenwohnungen, und schließlich die repräsentativen, luxussanierten Vorderhausvillen.
Dadurch könnte z.B. das sagenhafte Berliner Autorentheater, klar doch, gesponsert werden! Um endlich der zeitgenössischen deutschen Dramatik wieder auf die Bühne zu verhelfen! Nehmt! Nehmt, ihr bedürftigen Dramatiker!!
Ja, da reißt es auch mich förmlich hin! Ich fühle daraus heraus geradezu einen inneren Zwang zur Verschenkung! Zur Verschenkung des mir angedichteten Eigentums an der Warschauer 57,58, 59, 60, 61, 62, 63, 64 und 65, rauf und runter. Nur endlich weg damit!
So könnte es alle Berliner und Berlinerinnen hinreißen, denen als umgesetzte Mieter von einigen kürzlich zugezogenen Bezirksaufsehern Eigentum angedichtet wurde, weil sie ihr Mieterrecht des Rückzugs in Anspruch nahmen.
Berlin ist zwar materiell die ärmste Großstadt in diesem Land, aber geistig doch hoffentlich noch nicht vollkommen verschenkt.

16.2.10

Danke, Harry!

Die Inszenierung der Aufregung ist nicht die Aufregung selbst. Wenn der Kulturbetrieb sich scheinheilig über den mutmaßlichen Diebstahl von fremder Arbeit beklagt, dann ereifert sich kein Zuschauer mit. Er schaut eher gelangweilt zu, wie Onkel Harry eine siebzehnjährige höhere Kulturbetriebstochter lehrerhaft ermahnt, vielleicht nicht ganz so viel und ständig zu klauen, damit Papa Hegemann beim nächsten Elternstammtischabend nicht traurig ist.
Ansonsten gehe es ja immer auch ganz locker und lustig zu, in der Kantine der Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz!
Deshalb möchte man auch kritisch und gleichzeitig locker erscheinen, zeigt aber bloß die dreiste Attitüde eines Fernsehkulturbetriebs, in dem vermutlich mehr geklaut wird als von jeder erstrangigen Panzerknackergang, einschließlich des Literaturbetriebs.
Wohlgemerkt sollte niemand diese Debatte um den Diebstahl fremder Arbeit mit einer Debatte um z.B. die Ästhetik der Postmoderne verwechseln, wo das Zitat, sei es in der Literatur, im Film oder der Architektur, eine bedeutende und legitime Rolle spielt.
„Sein oder Nichtsein“ ist eben nicht mehr zu stibitzen, weil jeder Zweite dessen Urheber kennt. Im Gegensatz zum in der Postmoderne häufig ironisch verwendeten Zitat ist jedoch das plumpe Abschreiben oder Umschreiben von Texten weniger bekannter Autoren einfach nur verdammt mies, weil die sich oft, mangels bezahlbarer Rechtsanwälte, des Diebstahls ihrer Werke nicht erwehren können.
Und eventuell verzweifelt aufhören müssen zu schreiben, weil sie ohne Kohle davon auch nicht existieren können. Obwohl sie die Urheber sind!
Demgegenüber steht die satte Dreistigkeit derjenigen, die fett protegiert von den Oberen auf ihren samtenen Kulturposten sitzen, und für ihr Gehalt nicht einmal eigene Ideenfertigkeit beweisen!
Danke, Harry! Immer deutlicher sichtbar alles im festen Griff der wachsenden Diktatur des subventionierten deutschen Kulturbetriebs, und auch die Blogger nimmt man sich jetzt vor: verleumdet sie als anonym. (was übersetzt heißen soll: unseriös!)
Schau einfach mal im Impressum nach, Harry! Wie bei der Tageszeitung, da stehen Namen und Adressen! Und, falls dir die Meinung von Kefir nicht schmeckt, dann wähle eben Joghurt!
Doch sollte sich die wachsende deutsche Mediendiktatur ihren eigenen "kritischen, anonymen" Blogger sogar selbst inszenieren, einen trojanischen „Scheinblogger“ also, der den anderen das Suchmaschinenranking abgreift, um ganz abgezockt von allen authentischen Bloggern im Netz abzulenken, dann zeigt sich der wahre Geist der chinesisch-deutschen Internetfreiheit: die Angst vor der ungeschminkten, öffentlichen Meinung!
Blogger können wirklich die Power entwickeln, den TV Machern wichtige Themen vorzugeben! Nicht nur in den USA im Wahlkampf, sondern auch tagtäglich hier!
Dann müssen die Kulturproteges in Dagobertland endlich zittern, auch wenn sie sich possierliche Kleinkünstler für ihre intriganten Satiren dressieren. Die bleiben dann, als Beiwerk, was sie sind:
Salatblatt mit Tomate!

9.2.10

Rolf Harald Georg Büchner

Die hervorragende Qualität der Recherche von Sendungen sollte für jeden „Sender“ selbstverständlich sein, besonders wenn er sich „Das Erste“ nennt. Da reicht es nicht aus, wenn ein Redakteur mal im Telefonbuch blättert, wo denn eigentlich der Harald Schmidt wohnt? Zwar ist Schmidt ein auffällig seltener Name, Harald dagegen so häufig wie Rolf.
„Nü, dann suche mer eben den Rolf. Sö, wen habe mer denn dä? Rolf Hochhüth. Sö, jetz isses vollstreckt: nü wisse ma, der Harald Hochhüth schreibt Sendung für Sendung dem Schmidt selbst seine Pointen vor.
Sauber, des is nü aber ne Sensation! Beide ungefähr im gleiche Alter, könnt jetz noch eener verlange, dass der Schmidt sich heute auf seinen verdienten Loorbären die Pointen selbst aus den Nägeln kaut?
Weniger müsse müssen, heeßt doch heute die Leidkultur im hohe Alter! Saubere Recherche, brillanter Stil, und imma aktuell brisant: des is der Hochhüth! Zugegäbe, dass es der Rolfi is, hätts der Harald in seiner letzten Show höchst selbst!
Nü muss er vor der Kamera nur noch das bisserl ablesen, und der Rolf hält ihm derweil dicht. Weniger müsse müssen! Ja nü, weiter sö, für die nächsten zwanzig Jahre!“

Zuletzt hatte der Kultursenator a.D. in Berlin lange befürchtet, dass Rolf Hochhuth sich vor Traurigkeit über die kürzlich vor drei Jahren gescheiterte Zusammenarbeit mit dem bekannten Berliner Autorentheater nie mehr würde erholen können. Immerhin hatte ihm dessen Direktorin persönlich zum Jubiläum eine taufrische Uraufführung eines seiner noch nicht gespielten Stücke versprochen.
Doch beinahe gar nichts geschah! Warum? Die Proben hatten doch bereits begonnen, Schauspieler zwangen sich eifrig zur Leseprobe, Bühnenbildner planten bereits und besichtigten Spielorte: nur Verträge gab es keine.
Die zugesagte Förderung stecke noch irgendwo in der Pipeline fest, meinte die Direktorin, klar doch. Obwohl ihr Projekt so genial war!

Als ingeniöse Theatererneuerin hatte sie für Rolf Hochhuths Uraufführung eine sensationell grandiose Idee ausgedacht: der Autor zahlt, von der Entstehung seines Textes bis zur Uraufführung, komplett alles!
Ein sagenhaft konsequenter Gedanke wurde damals beinahe Realität! Warum bloß scheiterte dieser zukunftsträchtige Theaterentwurf? Waren es Miss günstige Neider?
Weshalb sollten nicht in Zukunft ein Martin Walser, ein Tankred Dorst oder ein Marius von Meyenburg für ihre Uraufführungen selbst zahlen? Schließlich sind Uraufführungen hervorragend fürs Renommee! Und es wäre die Lösung bei sinkenden Kultursubventionen!
Gäbe es in diesem Land der Dichter und Denker nicht genügend Autoren und Autorinnen, die für ihre Uraufführung tief in die eigene Tasche griffen?!

Von solch geballter kreativer Kompetenz würden alle, die Schauspieler, das Theater, die Autoren, Regisseure und Dramaturgen, gemeinsam profitieren! Weil endlich alle Beteiligten gleichberechtigt sind! Dieses neue Autorentheater könnte zum Beispiel einem Herrn Büchner beibringen, wie er endlich seinen Woyzeck fertig schreibt!
„Wie, der Büchner kriegt seinen Woyzeck nicht fertig? Lächerlich! Wir, klar doch, das Autorentheater, machen das jetzt fertig, sein Stück!“
Und dem Maeterlinck bringen wir einen ordentlichen Schreibstil bei! Welch ein Glück!

Zum Glück besteht noch Hoffnung. Nicht nur für Rolf Schmidt und Harald Hochhuth, sondern auch für Theaterneuerfinderinnen! Ein Schweizer Sponsor soll aushelfen, so hört man, und das Berliner Theater retten!

1.2.10

Autonome oder Taliban?

Talkmaster halten sich meistens für politisch aktuell informiert, sie können es daher nicht lassen, politische „Exoten“ verbal in ihre Sendungssoße einzurühren. Die jeweiligen politischen Gruppierungen werden dabei als Quoten steigernde Reizwörter missbraucht, wirklich reden möchten deutsche Talkmaster weder mit Autonomen noch mit Taliban.
Zu gefährlich, die könnten ja während der Sendung „aus dem Ruder laufen“, dann müsste man sie ganz schnell kameratechnisch aus dem Bild nehmen und Reservethemen bereit halten.
Sarah Wagenknecht bildet da die kommunistische Ausnahme, warum eigentlich? Neben ihrer Fotoqualität feiert sie sich ja selbst als Reinkarnation Rosa Luxemburgs, immerhin ein gefundener Geheimgang in die Herzen vieler Linksnostalgiker, die immer noch schmachtend einen irgendwie besseren Kommunismus herbei sehnen.
So werden romantische Sehnsüchte erfüllt. Aber es sind doch auch immer wieder diejenigen im Scheinwerferlicht, die irgendwie der Bevölkerung von oben herab mitteilen möchten, wie es richtig zu laufen hätte. Die auf ihrem Missionsweg der großen Staatsentwürfe die zahllosen Opfer staatlichen Terrors ignorieren, egal in welcher Epoche und nach welchem Selektionsmodus der Terror gerade organisiert wurde.
Deswegen sollten gestandene Talkmasterpersönlichkeiten einmal wenigstens aus ihrem geistigen Schatten treten und nicht nur über politische „Exoten“ reden, sondern mit ihnen! Oder existiert etwa vom Kopf des Unternehmens her eine Zensur, die solche Gäste ausschließt?
Dann hilft wohl nur noch wie in Diktaturen allgemein die Subversion des politisch intendierten Witzes.
„Warum tritt Harald Schmidt nicht mehr im Theater auf?“
„Zu wenige Solostücke auf dem Markt?“
„Nein, weil es im Theater keine Applaustafeln fürs Publikum gibt.“